|
Wiedergabe
Getting your Trinity Audio player ready...
|
Rekordzahl an Verfahren und drohende Grundsatzurteile beim Bundesfinanzhof
Über 2000 Immobilieneigentümer haben sich bisher juristisch gegen die neue Grundsteuer gewehrt. Eine Umfrage bei 18 deutschen Finanzgerichten zeigt, dass die meisten Klagen in Hessen (636) eingereicht wurden, gefolgt von Nordrhein-Westfalen mit rund 425. Hunderte Verfahren ruhen derzeit, weil die Prozesswelle auf die entscheidende Phase zusteuert: 14 Revisionsverfahren liegen inzwischen beim Bundesfinanzhof in München.
In erster Instanz haben die Finanzgerichte viele Klagen abgewiesen, andere wurden von den Eigentümern zurückgezogen. Das neue Grundsteuergesetz gilt seit Anfang 2025 – notwendig war die Reform, nachdem das Bundesverfassungsgericht die frühere Regelung im Jahr 2018 für verfassungswidrig erklärt hatte. Damals bemängelten die Richter, dass die zugrunde liegenden Grundstückswerte im Westen seit 1964 und im Osten sogar seit 1935 nicht mehr angepasst worden waren.
Warum die neue Grundsteuer fast alle betrifft
Das Gesetz betrifft nahezu die gesamte Bevölkerung. Zwar zahlen die Grundsteuer nur Eigentümer, doch in der Praxis wird sie häufig über die Nebenkosten auf Mieterinnen und Mieter umgelegt. Für Städte und Gemeinden ist sie eine der wichtigsten Einnahmequellen. Bis der Bundesfinanzhof seine Entscheidungen trifft, setzen viele Finanzgerichte ähnliche Fälle vorerst aus.
Unterschiedliche Modelle in den Bundesländern
Weil die Immobilienwerte regional stark voneinander abweichen, durften die Bundesländer eigene Berechnungsmodelle einführen. Der Bund ließ ihnen mit einer sogenannten Öffnungsklausel freie Hand. So entschieden sich Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen und Niedersachsen für eigene Wege.
Im sogenannten Bundesmodell wird die Steuer anhand des Bodenrichtwerts und der Nettokaltmiete berechnet. Auch die Grundstücksgröße, Art des Gebäudes und das Baujahr fließen ein. Bayern setzt auf ein Flächenmodell, bei dem die reine Fläche zählt, während Hessen eine Kombination aus Grundstücksfläche und Bodenrichtwert nutzt. Auffällig ist: In Hessen wurden etwa zehnmal so viele Klagen eingereicht wie im Freistaat Bayern.
Warum viele Eigentümer die Reform anfechten
Viele Eigentümer befürchten, dass die Reform zu höheren Steuerbelastungen führt – insbesondere in wirtschaftsstarken Regionen mit stark gestiegenen Immobilienwerten. Der Eigentümerverband Haus & Grund kritisiert die Neuregelung seit langem als „Grundsteuer-Ungeheuer“ und unterstützt aktuell mehrere Verfahren vor dem Bundesfinanzhof in Chemnitz, Düsseldorf, Köln und Berlin/Brandenburg.
In einem Urteil aus Karlsruhe hieß es bereits, dass selbst „die geringe Höhe einer Steuer nicht die Verwendung realitätsferner Bewertungsregeln rechtfertigt“. Viele Eigentümer sehen genau das im Bundesmodell gegeben. Entsprechend hoch ist die Erwartung an die kommenden Entscheidungen des Bundesfinanzhofs.
Was Eigentümer, Mieter und Kommunen jetzt erwartet
Der Bundesfinanzhof bereitet derzeit die ersten mündlichen Verhandlungen für November 2025 vor – zunächst für das Bundesmodell. Die Landesgesetze sollen ab 2026 folgen. Das Ergebnis könnte weitreichende Folgen für alle Beteiligten haben: Wird das Bundesmodell erneut für verfassungswidrig erklärt, müsste die Grundsteuerreform komplett neu aufgerollt werden.
Offiziell soll die Reform „aufkommensneutral“ sein – das heißt, die Kommunen sollen in Summe nicht mehr, aber auch nicht weniger einnehmen als zuvor. Dennoch wird es für viele Eigentümer individuelle Veränderungen geben: Einige zahlen künftig weniger, andere spürbar mehr. Denn jede Kommune legt ihren eigenen Hebesatz fest, mit dem sie die Steuerhöhe beeinflussen kann.
Fazit: Grundsteuerreform bleibt umstritten
Die Grundsteuerreform von 2025 sollte Fairness schaffen, sorgt aber vielerorts für neue Konflikte. Unterschiedliche Modelle, komplexe Bewertungsgrundlagen und ungleiche regionale Entwicklungen machen das Thema zu einer juristischen Dauerbaustelle. Eigentümer, Mieter und Kommunen warten nun gespannt auf die Entscheidungen des Bundesfinanzhofs im Herbst 2025.
Tipp: Widerspruch prüfen und Unterlagen sichern
Eigentümer sollten ihre Grundsteuerbescheide sorgfältig prüfen und gegebenenfalls rechtzeitig Einspruch einlegen. Wer betroffen ist, sollte Unterlagen wie Grundstücksdaten, Flächenberechnungen und Bodenrichtwerte aufbewahren. Eine fachkundige Beratung – etwa durch Steuerberater oder Eigentümerverbände – kann helfen, Fristen und Erfolgschancen besser einzuschätzen.
FAQ – Häufige Fragen zur Grundsteuerreform 2025
1. Warum wurde die Grundsteuer überhaupt reformiert?
Das Bundesverfassungsgericht erklärte 2018 die alte Berechnung für verfassungswidrig, da jahrzehntelang keine Neubewertung der Grundstücke erfolgt war.
2. Welche Modelle gibt es bei der neuen Grundsteuer?
Je nach Bundesland gilt entweder das Bundesmodell oder eine eigene Regelung – z. B. das Flächenmodell in Bayern oder die Kombination aus Fläche und Bodenrichtwert in Hessen.
3. Was bedeutet „aufkommensneutral“?
Die Kommunen sollen durch die Reform insgesamt gleich viel einnehmen wie zuvor. Dennoch können sich die individuellen Steuerbeträge für Eigentümer verändern – abhängig von Region, Grundstück und Hebesatz.
4. Wann entscheidet der Bundesfinanzhof?
Die ersten Verhandlungen sind für November 2025 angesetzt. Die Urteile könnten grundlegende Änderungen für alle Bundesländer nach sich ziehen.
5. Können Eigentümer noch Klage einreichen?
Ja, betroffene Eigentümer können Widerspruch einlegen und ggf. den Rechtsweg beschreiten. Viele Verfahren ruhen derzeit, bis der Bundesfinanzhof entschieden hat.